Ausbilder loben Fleiß der Flüchtlinge

Erschienen am: 10.09.2016

Neue Westfälische

Bielefeld (NW). Begeisterung schwingt mit, wenn Ralf Kopp von „Mühl & Co.“ über Mahmud Hama spricht. Der 24-jährige Syrer absolviert eine Ausbildung zum Zerspannungstechniker in der CNCFabrik. „Ein hervorragender Mann“, sagt Köpp, „immer pünktlich, fleißig und zuverlässig“. Ähnlich positiv äußern sich andere Bielefelder Firmen, die Flüchtlinge eingestellt haben – auch wenn manche kulturelle Hürde bei einigen noch übersprungen werden muss. Geschätzt etwa 100 haben 2016 den Weg in die Arbeitswelt geschafft. Holger Schettler hat vor wenigen Monaten den Mitarbeiter gefunden, den er schon länger sucht. Es ist der Afghane Sadam Ahmed Amarkhel, 22 Jahre alt, seit September 2015 in Deutschland. Schettler ist Geschäftsführer der Film- und Werbeagentur „tri-ergon“.
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Amarkhel ist gelernter Cutter. Er versteht etwas vom Film. Und er beherrscht die Technik hervorragend. „Ich habe in Kabul sechs Jahre bei einer Medienfirma gearbeitet.“ Zuletzt filmte seine Firma auch für Präsident Aschraf Ghana. Die radikalislamischen Taliban hatten ihn deshalb im Visier. Sein Leben war bedroht. „Weil ich in Kabul ein paar Monate mit Deutschen von der GIZ (Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit) zusammengearbeitet habe und wir uns gut verstanden haben, bin ich nach Deutschland geflohen“, berichtet Amarkhel. Das Deutsch des Afghanen ist schon sehr gut, und er arbeitet weiter akribisch daran. Sein Ehrgeiz fiel der Arbeitsagentur Herford auf. Die brachte Amarkhel und tri-ergon in Kontakt. „Wir haben uns sofort super verstanden“, berichtet Schettler. Der Asylbewerber macht jetzt seine Einstiegsqualifikation mit Sprachschulung. Die dauert ein Jahr. Dann beginnt die Ausbildung zum Mediengestalter in Bild und Ton. „Der Vertrag beginnt am 1. September 2017“, sagt Schettler. Für den tri-ergon-Geschäftsführer sind es nicht nur die fachlichen Qualitäten, die ihn überzeugten.
Es ist auch der Ehrgeiz des Afghanen, sein unbedingter Wille, etwas zu erreichen, seine Chance zu nutzen. Deshalb nimmt der Geschäftsführer den zusätzlichen Papierkram in Kauf. Das Asylverfahren läuft noch. Das bedeutet mehr Kontakt mit Behörden, mehr Genehmigungen und Formulare. Mit diesem Papierkram beschäftigt sich auch Michael Wellner von der Firma „Halbar System GmbH“ hin und wieder. Der Taschen- und Rucksackhersteller hat über den Kontakt mit Flüchtlingshelferin Jutta Küster drei Pakistani eingestellt, erst als Praktikanten, jetzt als Einstiegsqualifikanten. Ab Sommer sollen sie reguläre Ausbildungen beginnen: als Fachkraft Lagerlogistik, Maschinen- und Anlagebediener sowie Medientechnologe Siebdruck. „Ambivalent“ nennt Wellen seine Erfahrungen bisher. „Die drei sind sehr wissbegierig und wollen sich unbedingt eine Zukunft aufbauen“, sagt er. Das ist gut. Allerdings erkannten die Pakistaner zunächst nicht den Wert, den eine Ausbildung hat. „Sie fragten, warum sie nicht sofort normal arbeiten und Geld verdienen könnten.“ Erst Erklärungen mit Hilfe eines Dolmetschers machten klar, worum es geht.
In Pakistan gibt es kein vergleichbares, duales Ausbildungssystem. Zudem mussten ein paar grundsätzliche Dinge geklärt werden. So blieben die Asylbewerber, wie es in Pakistan wohl nicht unüblich ist, bei Krankheit einfach zu Hause, ohne sich abzumelden. Auch die ersten drei Tage nach dem islamischen Fastenmonat Ramadan erschienen sie nicht – ohne Absprache. „Aber das ist jetzt geklärt“, sagt Wellen. Mittlerweile seien die drei – zwischen 25 und 29 Jahre alt – „ganz normale Kollegen“ im Betrieb. Vor allem in den so genannten Blaumannberufen haben Asylbewerber laut Jörg Deibert von der Industrie- und Handelskammer (IHK) gute Einstiegschancen. „Die Betriebe haben Probleme, für diese Berufe geeignete Auszubildende zu finden.“ Das bestätigen die Firmen Mühl & Co. sowie Halfar. Fachkräfte werden stets gesucht. Zu viele deutsche Bewerber wirkten jedoch verwöhnt, lustlos und unzuverlässig. Das ist ihnen bei den jungen Asylbewerbern noch nicht vorgekommen. Die wollen was erreichen.